Über meine Werke
Im folgenden finden Sie Texte zu meinen Arbeiten – aus Reden oder Gedrucktem. Einen herzlichen Dank an die Verfasser!
Die besprochenen Werke finden Sie in den Sammlungen zu Mensch und Raum, Warten, Innehalten und Konsum und Verführung.
Monika Geisbüsch – MENSCH und RAUM, 2022
Einführung zu „Mensch und Raum“, Kathrin Schik
Liebe Besucherinnen und Besucher,
liebe Susanne und lieber Christian,
liebe Monika,
es ist mir eine besondere Freude, heute ein paar Worte zu deinen Arbeiten zu sagen, eine Einführung zu geben – wie es in der Einladung steht – eine besondere Freude, weil du, liebe Monika, nicht nur meine geschätzte Kollegin und Freundin bist, sondern vor allem auch eine herausragende Künstlerin. Ein künstlerisch tätiger Mensch…
und der MENSCH steht auch im Mittelpunkt deines künstlerischen Schaffens:
Der Mensch im Alltag und in Alltagsszenen: oft in sich gekehrt und gedanklich entrückt, oftmals in Bewegung oder auch im Innehalten, festgehalten an bestimmten Orten, die alle real sind…
Alltagsszenen, die sich z.B. auf dem Jahrmarkt, an Bahnhofsplätzen, in Geschäften und Einkaufsgalerien, in Cafés, in Museen abspielen, basierend auf Momentaufnahmen oder Ausschnitten von Fotos, die Monika Geisbüsch meistens selbst fotografiert oder ganz selten auch aus der Zeitung nimmt. Scheinbare Momentaufnahmen, die doch weitergehen und über den Moment hinausweisen. Zu sehen sind Menschen, die eine spürbare Einsamkeit ausstrahlen, obwohl sie oft paarweise oder in Gruppen auftreten, sind sie mit sich beschäftigt und verharren in ihrer eigenen Gedankenwelt.
Wer sind diese Menschen? Was denken sie? Auf wen oder was warten sie? Wohin gehen sie?
Monika Geisbüsch gibt einen Blick auf gewöhnliche Menschen. Ihre Bilder erscheinen wie Bühnenbilder oder Projektionen einer Imagination modernen Lebens. Mit diesem authentischen Blick eröffnet sich ein Moment Wahrheit (des täglichen Lebens), der weitaus mehr ist als (nur) eine Momentaufnahme (einer Situation).
DARSTELLUNGSWEISE
Als Beobachterin scheinbar unbedeutender Details erfasst Monika Geisbüsch genau die Wesenhaftigkeit einer Geste, einer Haltung oder eines Gegenstandes. Ihre Bildräume sind malerisch angelegt, jedoch spürt man die Zeichnerin dahinter, die ihre Materie beherrscht und auch zeichnerisch durchdringt und der Farbe ein fundiertes Gerüst verleiht.
Schauen wir zunächst nur oberflächlich, sehen wir eine vermeintlich bunte Welt in leuchtenden, satten Farben. Eine farbgewaltige Bildsprache, die die reine Lokal- und Gegenstandsfarbe übersteigert und sich ganz bewusst von einem Fotorealismus abgrenzt.
In der Komposition der Bilder finden sich klar erkennbare vertikale und horizontale Bildachsen, die eine lineare Struktur geben, (die bereits zeichnerisch angelegt ist) und die wiederum von den organischen Formen der Figuren und anderer Bildelemente unterbrochen wird. Auf diese Weise entstehen Beziehungen zwischen Figur und Komposition, die durch das einfallende bzw. reflektierende Licht noch gesteigert werden (doch zum Licht komme ich gleich).
Der RAUM ist eine wesentliche Komponente in der Komposition ihrer Bilder. (Monika Geisbüsch ist eine Raumdarstellerin.) Mensch und Raum, wie es bereits im Titel dieser Ausstellung anklingt.
Seit der Antike (Vitruv) versteht man Architektur als Nachbildung von menschlichen Raum, Proportionen und Empfindungen – Vasari (ein italienischer Architekt der Renaissance und sozusagen der Vater der Kunstgeschichte) sprach sogar davon, dass ein Gebäude geboren wird und nicht gebaut. Auch bei Monika Geisbüsch werden die Räume geboren. Sehr eindrucksvoll zu sehen übrigens in den Zeitraffer-Videos, in denen sie den Entstehungsprozess mancher Bilder zeigt. (Bei denen auch ihr „zeichnerisches Gerüst“ und die Arbeitsweise des sukzessiven „Geborenwerdens“ deutlich werden.)
Die urbanen Räume wie die der Museen, Kirchen oder historischen Einkaufsgalerien oder auch Bahnhofshallen, zeigen eine prachtvolle Architektur mit einer andächtigen, meditativen Wirkung, die auch immer etwas Erhabenes hat.
Manche Bilder lassen an die „Nicht-Orte“ (1992) des französischen Anthropologen und Kulturtheoretikers Marc Augé denken, der darunter Orte versteht, die praktisch ohne Geschichte und anonym sind. Oft sind das sogenannte Transit-Schauplätze, wie z.B. Bahnhöfe oder Shoppingmalls, vllt auch der Jahrmarkt, meistens Räume ohne richtige Identität, bei denen sich das Individuum isoliert und einsam fühlt und an denen die Menschen generell austauschbar erscheinen, im Zustand der kommunikativen Verwahrlosung.
Monika Geisbüsch zeigt Zwischenräume, Orte, die einsame Individualität verdeutlichen und verfehlte zwischenmenschliche Kommunikation ausdrücken: Menschen, die untätig Warten, isoliert voneinander, vertieft in ihre Mobiltelefone oder Menschen, die sich nomadisch verhalten und vorbeieilen, ohne sich eines Blickes zu würdigen – Alltagsnomaden…
Dabei greift Monika Geisbüsch auch ein aktuelles Thema auf: die Flüchtenden bzw. Geflüchteten, das Schicksal der zu unfreiwillig gewordenen Nomaden aus den Kriegsgebieten der Ukraine – Menschen, die sie ohne Raum darstellt. An dieser Stelle möchte ich von einer Beobachtung erzählen. Es war während des Kunstsymposiums des Essenheimer Kunstvereins – dem sogenannten Pleinair – bei dem wir beide nebeneinander auf dem Dalles in Essenheim (dem Platz vor dem Kunstforum) unser „Pleinair-Atelier“ teilten und ich Zeugin bei der Genese ihrer Bilder wurde. Dabei fiel mir auf, wie versunken Monika in eine kleinformatige Arbeit war: ein bereits dunkel getöntes Papier diente als Grundlage/ Grundierung, auf das sie mit feinsten Pinselstrichen in Ölfarbe ganz feinteilig, angelehnt an eine Fotografie aus der Zeitung, das Porträt einer jungen Mutter mit ihrem Kind malte, wobei ich fast sagen möchte, sie zeichnete es eigentlich. Bei wunderschönem Sonnenwetter auf diesem südländisch anmutenden Platz in Essenheim befasste sich Monika Geisbüsch mit diesem schwermutigen Thema, das in dieser Situation so unwirklich wirkte und einfach nicht zu der dortigen Stimmung zu passen schien. Und dann passierte folgendes: hinter unserem Freiluft-Atelier drangen plötzlich durch die geöffneten Fenster Satzfragmente eines Deutschkurses für Ukrainer:innen, an dem vor allem junge Mütter teilnahmen, deren Kinder gerade neugierig an unseren Tischen standen und uns beim Arbeiten zuschauten. So bekam Monikas Thema bzw. das Motiv, das sie auf ihrem Bild gerade gestaltete, eine ganz seltsame Realität, beinahe so, als wären die Figuren aus ihren Bildern entstiegen. Für einen Moment fiel es Monika schwer ihre Arbeit (dort einfach so) fortzusetzen. Die meisten Arbeiten aus dieser Serie blieben ohne dargestellten Um-Raum, vllt weil diese Menschen ihren ursprünglichen Raum verlassen mussten, vllt weil der Raum, in dem sie sich befinden, überall sein kann.
In welcher Weise gehört der Raum zum Menschen? Inwiefern ist so etwas wie Raum notwendig, um den Menschen in seinem Wesen zu begreifen?
Unsere Raumwahrnehmung ist immer abhängig von unseren Vorerfahrungen, Erinnerungen, Konventionen und damit verbundenen Erwartungen. Es gibt verschiedene Formen des Raumgefühls und diese hängen aufs engste mit dem gesamten Lebensgefühl des Menschen zusammen. Das macht schon ein Blick in die geistigen Auseinandersetzungen unserer Gegenwart deutlich. Heidegger charakterisiert das menschliche In-der-Welt-sein konkreter als ein Geworfen- sein. Das schließt notwendig auch das Verhältnis zum Raum ein und wir werden auch dieses als ein Geworfensein verstehen müssen. Was aber heißt das? Der Mensch ist in etwas geworfen, das besagt mehr, als dass er sich in einem neutralen Sinn darin befindet. Es bedeutet vielmehr, dass er ohne seinen Willen oder gar gegen seinen Willen in ein ihm fremdes Medium hineingebracht ist.
Heidegger trifft sehr scharf das Verhältnis zum Raum, wie es den Menschen unserer Zeit kennzeichnet, den heimatlos gewordenen und entwurzelten Menschen.
ORT_ RAUM
In vielen Bildern von Monika Geisbüsch öffnet sich der Raum in alle möglichen Richtungen. Exemplarisch möchte ich das Bild „Stay on the line“ aufgreifen, das wir von der Einladung zu dieser Ausstellung kennen und das hier nun am Treppenaufgang hängt. Auf der Einladungskarte gesehen verblüfft zunächst die Darstellung. Unweigerlich springt einem das Fotorealistische entgegen – aber NUR auf den ersten Blick. Wir sehen einen ganz dicht komponierten Bildraum, mit einigen Figuren und vielen Bildelementen wie Fahrkarten- oder Getränkeautomaten, Reklame etc., die den Raum weiter öffnen. Und der Mensch darin (oder auch davor als Betrachtender) wird immer kleiner. Der Raum stellt etwas dar, während sich die Menschen darin schon gedanklich in anderen Räumen befinden, der Raum im Raum – Mensch und Raum oder vllt noch eher: Menschen und Räume. Und der Bildraum öffnet sich weiter: denn hier in der Ausstellung, in dieser realen architektonischen Raumsituation spiegeln sich die Bildachsen in der nach oben führenden weißen Treppe wider. Das Bild gibt Einblicke in einen anderen Raum und greift gleichzeitig in den realen Raum über.
Bei Monika Geisbüsch finden wir ganz oft einen komplexen Raumbegriff, der sich über den rein physischen Raum (der Architektur) über den sozialen Raum (als gestalteter, sozial konstruierter Raum mit unterschiedlichen sozialen Funktionen: hier in Form der Bahnhofsvorhalle und seinen Protagonist:innen) bis hin zu dem mentalen Raum (Gedanken, Gefühle der Dargestellten aber auch der Betrachtenden und deren Assoziationen) erstreckt.
Der Umraum – der Innenraum – der Stadtraum und öffentliche Raum – der intime, persönliche Raum – der mentale, geistige Raum – der virtuelle Raum … (und der Raum wäre noch um viele Ebenen zu erweitern…)
Die Komplexität des Raumes wird besonders deutlich auch in einem anderen Bild mit dem Titel „Einbahnstraße“, das einen Blick in das Seitenschiff des Mainzer Doms gewährt: Im Vordergrund sehen wir rechts das Denkmal für einen Erzbischof und Kurfürsten (Anselm Franz von Ingelheim), ein prächtiges Epitaph aus schwarzen und weißen Marmor, angebracht an einem Pfeiler (unweit der Treppe zum Ostchor mit Blick zu den Fenstern des Kreuzganges). Die dargestellte sakrale Figur hat innerhalb des Seitenschiffes eine Art eigenen Raum und wird in dem Bildausschnitt von Monika Geisbüsch konfrontiert mit dem im vorderen Bildteil links befindlichen Schild, das auf das Einbahnstraßensystem (mit den angedeuteten Pfeilen) hinweist. Inhaltlich ein Kontrast, der stärker gar nicht sein könnte. Ein Hinweis-Schild bzw. Gebotsschild, eine Ikonographie modernen Lebens konfrontiert den sakralen Raum bzw. die sakrale Bauplastik mit einer real und aktuell existierenden Vorschrift, die ich hier nicht ausspreche, aber die wir alle kennen. Hier durchdringen sich mehrere Räume vor allem in ihren Zeitebenen.
Ein weiteres Bild mit dem Titel „Louvre“, das einen realen Museumsraum darstellt, in dem Menschen sitzen oder neben der Bank erschöpft/ gelangweilt kauern, beschäftigt mit ihren Handys. Dadurch wird das Bild ebenfalls geöffnet zu einem virtuellen Raum, auch mentalen, gedanklichen Raum… während der Bildraum, ein Gemälde eines alten Meisters des MA die dramatische Szene der Kreuzabnahme zeigt, ein Bild im Bild.
LICHT
Und jetzt komme ich zum Licht. Die Lichtführung, starke Lichteinfälle, fotografisch betrachtet zum Teil auch überbelichtete Stellen (ausgefressene Lichter), tauchen immer wieder in den Bildern auf und werden ganz bewusst von Monika Geisbüsch als formales Mittel und Gestaltungsmerkmal genutzt. Akzente, Blickpunkte, Blickführungen, aber vielleicht ebenso „offene Stellen“, deren Inhalte ebenso offen bleiben.
In der Kunstgeschichte kennen wir die Bilder von Edward Hopper, der die nachdenklichen Töne des Lebens einfängt und vor allem Licht in die Innenräume bringt, sie mittels Licht durchdringt, während er isolierte, in sich selbst versunkene, von der Welt abgewandte Menschen zeigt: Portraits der Einsamkeit, so tief in Gedanken versunken, dass sie ihre Umgebung nicht wahrzunehmen scheinen. Ähnlich bei Edgar Degas, der auf einem Gemälde Frauen in einem Café darstellt oder Edouard Manet, der ähnliches in seinem Gemälde „Bar in den Folies-Bergère“ darstellt.
Bei Monika Geisbüsch ist die Faszination für das Licht regelrecht spürbar, was sich z.B. in dem Bild „Milano“ in der Lampenreihe und der Spiegelung ausdrückt oder in dem eben erwähnten Bild des Mainzer Doms, in dem die bunten Lichtreflexe auf den Pfeilern neue Formen entstehen lassen.
Ebenso im Bild „Sommer in der Stadt“ (Wilmas Wunder), in dem die Atmosphäre eines entspannten Sommertages, Licht und Stimmung des (dieses) Sommers zum Ausdruck kommen. Die Faszination des Lichtes, Spiegelungen und Lichteinfälle überall, aber auch die Faszination der Farben, der Details wie z. B. für die Fliesenornamentik, sowie das Aufgreifen eines Raumkonzeptes, bei dem der Betrachterstandpunkt und damit die Perspektive eine ganz besondere sind: die/der Betrachtende sitzt im Café selber und schaut auf den Marktplatz. Als Betrachtende/r ist man direkt involviert in die Situation als Teilnehmende/r und die Blickführung geht direkt nach oben zum Dom, der Blick wird gelenkt in die Fenster des Doms.
Licht im Raum ist auch eine Metapher für die Gedanken in einem menschlichen Kopf und verdeutlicht die Dualität und Dialektik zwischen innerer und äußerer Welt.
Monika Geisbüschs Werk begründet sich auf dem Leben, das sie in einem Moment einfängt und in einer narrativen Weise weiter inszeniert und damit eine Illusion von Realität entstehen lässt, eine Reproduktion der äußeren Welt durch die innere Welt der Künstlerin selbst, eine erweiterte Realität …
Als Betrachtende sind wir mit den Gemälden konfrontiert, mit den Ereignissen und Stimmungen, die wiederum bei uns Emotionen und Gedanken freisetzen … wir erkennen aber auch unsere eigenen, zurückgestoßenen Gedanken. Bilder betrachten und dabei versuchen unsere eigenen Schleusen zu öffnen, es zu zulassen, dass etwas passiert…Türen öffnen, Räume durchschreiten und in viele nie gesehene Räume zu blicken und dabei ständig neues Terrain zu erschließen, … das wünsch ich uns nun in diesen Räumen der Galerie.
Kathrin Schik
Ausstellung in der Galerie im Burggrafiat Alzey
Notizen für die Einführungsrede von Dieter Magin, Ausstellung von Monika Geisbüsch in der Galerie im Burggrafiat, Alzey, 2018
Als ich zu Hause vor meinem weißen Papier saß und versuchte, meine nicht ganz objektiven Gedanken zu ordnen –
:// nicht ganz objektiv //: – weil Monika in ihren Anfängen Zeichnerin war und ich immer noch bin
und
weil wir beide uns mit der Vermittlung von Bildern herumschlagen
da wollte ich Ihnen erzählen, wie Monika mit ihrem Fotoapparat auf Jahrmärkten und in Wartehallen herumschweift…
ich wollte erzählen, wie sie in einem Akt fotografischer Willkür im öffentlichen Raum Flüchtiges, Nebensächliches fotografisch „einfriert“…
ich wollte Ihnen dann erzählen, wie sie zu Hause, in ihrem Atelier aus diesen Aufnahmen Neues schafft durch Weglassen und Hinzufügen…
wie sie in komplizierten Spiegelungen ihre Lust an ornamentaler Sinnlichkeit auslebt und manchmal selbst im Bild auftaucht
und
schließlich wollte ich Ihnen noch erzählen, wie sie in langsamer, oft über Wochen sich hinziehender Schichtenmalerei einerseits fast unzählige Modulationen einer Farbe erzeugt, andererseits mit starken Farbkontrasten Farbmaterie sichtbar macht…
und dann kam mir Delacroix dazwischen!
Eugène Delacroix, Maler und Grafiker – Revolutionär der Farbe
– für den Farben und Malerei wichtiger waren als zeichnerische Korrektheit
– der mit seinem riesigen 395 x 595 cm „Tod des Sardanapol“, 1827 einen Entrüstungssturm in Paris erzeugte,
=> „ Es ist die erste Pflicht eines Bildes….//schrieb er 1863, kurz vor seinem Tod in sein Tagebuch
……ein Fest für die Augen zu sein“
Mit einer diplomatischen Delegation ging er 1832 nach Marokko und kam zurück mit Szenen exotisch bunt bewegten Lebens in hoher Farbintensität.
Die Farbe emanzipierte sich, wird laut, kräftig, pastos…wird selbständig und Bedeutungsträger
/
Sind wir bei Monika oder noch bei Delacroix?
=> Und dann der 2. Satz:
„Ich will damit nicht sagen, dass es nichts vorzustellen brauche“
Die Delacroix’schen Ikonen
– „Dante Barke“
– „Das sterbende Griechenland an den Ruinen von Mesolonghi“
– „Das Massaker von Chios“
– „Die Freiheit führt das Volk“
stellen den Blickwinkel der Unterdrückten, der Unbedachten,
der im Rilke’schen Sinne Unbehausten vor
-> das war der Skandal !
Hier in diesen Räumen – umgeben von einem Fest für Augen
aus Skurrilem, Exotischem, Lautem, Gespieltem….
mischt sich – manchmal leise, manchmal lauter – eine Frage der in diesem Farbfest Wartenden, Einsamen, Unbehausten
-> auch hier unter diesem festlichen, barock dekorierten Eingang unter den festlichen Putti mit gelehrten Schriftrollen
– und wenn wir die grünen Türen öffnen könnten und feststellten, dass die alten Götter abhanden gekommen sind und durch die neuen Götter dieses Kunstarkadiens durch Beliebigkeit und Gleichgültigkeit ersetzt wurden
die Frage, diese nicht Wahrgenommene:
– wie Menschsein möglich ist ….sinnvoll ist?
– ob es reicht, unter barocken Putti und einem Fest aus Dekor einen Kaffee aus dem Automat zu ziehen?
Monika malt die Fragen – beantworten müssen wir sie – nach dem Genuss der Farben.
Vielen Dank!
Dieter Magin
Zwischen-Räume
Auszug aus der Eröffnungsrede „Zwischen-Räume“, Ausstellung Kunstpreis der Sparkasse Karlsruhe, 2013
Gestatten Sie, meine Damen und Herren, dass ich zum Eingang meiner Rede über die Werke der Preisträger den Horizont öffne und eine kurze Überlegung über das Raumdenken in der Gegenwart anstelle.
Welchen Raum meinen wir, wenn wir über Raum sprechen?
…
Nicht-Orte geben vielfach Gelegenheit zur Erfahrung einsamer Individualität und nichtmenschlicher Kommunikation. Hier herrscht die Welt der Zeichen und der Signale. Nicht-Orte sind keine Handlungsräume, sondern solche, in denen nomadisches Verhalten wie Streunen, Eilen und untätiges Warten vorherrschen. In diesem Sinne interpretiert Monika Geisbüsch in ihrem Gemälde Warten die Akkumulation von Signets und die Kommunikation mittels neuer Medien als Zeichen von existentieller Einsamkeit. Zwei Männer im Nicht-Ort der Shopping Mall oder des Bahnhofs, isoliert voneinander, aber vertieft in ihre Mobiltelefone, Smartphones oder Blackberrys: der Zwischen-Raum als Ort der verfehlten zwischenmenschlichen Kommunikation und der gestörten Teilhabe am öffentlichen Leben.
…
Pia Müller-Tamm
(Direktorin der Staatl. Kunsthalle Karlsruhe)
Innehalten
Auszug aus dem Katalog „Innehalten“, Text von Dieter Magin
Die Bilder von Monika Geisbüsch zeigen Menschen in einem Mikrokosmos aus Reklameaufschriften und skurrilen Schildern.
Ausschnitte – Zufälligkeit und Flüchtigkeit suggerierend wie die Sicht der damals jungen Avantgarde des pulsierenden Lebens im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts – geben Einblicke in verborgene oder unbeachtete Seiten der eigenen heutigen Gesellschaft.
Technisch bildet ein fotografierter Ausschnitt die Grundlage der Malerei. Ein in Sekundenbruchteil eingefrorener Moment von etwas Vorübergehendem, Flüchtigem, Entschwindendem als Teil des sich in dauerndem Fließen befindlichen Lebens wird in langsamer, zeitintensiver Schichtenmalerei zum Bild geformt.
„Wahrhafftig steckt die kunst inn der natur, wer sie heraus kann reyssen, der hat sie.“ (Albrecht Dürer in Katalog museum franz gertsch, Bern 2002, S. 36)
„Herausgerissen“ mittels strenger Vertikal-Horizontal-Komposition der Bildachsen, mittels scheinbar willkürlich angeschnittener, aber über die Bildränder hinaus verweisenden Randfiguren, mittenbetonender kontrastierender Farbsetzung und/oder reduzierter Palette sowie materieller Präsenz im Duktus des Farbauftrages ergibt ein erstes reizvolles Spiel zwischen figürlicher Repräsentanz bzw. Illusion von Wirklichkeit und rational-abstrakter Ordnung.
Analog dazu gibt es eine inhaltliche Bipolarität:
Zum Ersten sind die erzählten Orte überwiegend Warteräume der Passagiere: Bahnhöfe, Bushaltestellen, dort angesiedelte Verkaufsbuden, Imbissstände usw. allesamt „Nichtorte“, Räume des Übergangs, Räume in denen die Passagiere vor allem eines tun – sie warten. Warten ist ein zentraler Zyklus im Werk von Monika Geisbüsch.
Zum Zweiten sind die Menschen dieser Nichtorte Wartende, d.h. mit sich selbst Beschäftigte oder Unbeachtete mit immer gleicher unbeachteter, aber in sich ruhender Handlung. Sie sind nicht immer zentral im engeren kompositorischen Sinn, wohl aber thematisch, denn sie stellen in diesem vorübergehenden Fluss der Bilder das Dauernde, Unabänderliche dar. Letzteres sowohl in der dargestellten Realität als auch in den Darstellungen der Bilder.
Zwischen den Polen Mensch und Umraum entsteht auf der Bildebene ein zweites reizvolles Spiel zwischen Eigentlichem und Uneigentlichem. Alles kann das Eigentliche und auch das jeweils Andere sein. Die undifferenzierte Wahrnehmung des Alltäglichen wird in das Bewusstsein des Betrachters gehoben und selbst zum Thema. Durch die kompositorischen Mittel werden wir Betrachter mit in das Bild hineingenommen, durch die Thematisierung unserer Wahrnehmung wieder zum distanzierten Fremden.
Parallel dazu wird der dargestellten Person – die ja in einem Akt von fotografischer Willkür in ihrem öffentlichen Raum isoliert wurde – in einem nahezu intimen Prozess der langwierigen, malerischen Annäherung ihre Privatheit und damit ihre Distanz zu uns zurückgegeben.
Dieter Magin, Mai 2011
Alltagswelten
Eröffnungsrede von Prof. Dieter Crumbiegel zur Ausstellung „Alltagswelten“ Monika Geisbüsch und Elke Richter am 11. September 2011 im Schloß Zweibrüggen in Übach-Palenberg (Auszüge)
Eröffnungsrede zur Ausstellung „Alltagswelten“ Monika Geisbüsch und Elke Richter
am 11. September 2011 im Schloß Zweibrüggen in Übach-Palenberg (Auszüge)
… Schon der Maler Paul Klee stellte fest, dass Kunst nicht das Sichtbare wiedergibt, sondern sichtbar macht.
Hier liegt die Aufgabe der sogenannten gegenständlichen Kunst, und das hört sich schon ganz anders an, als dass ich auf einem Bild einen Gegenstand schlicht wieder erkennen soll.
…
… zu den Bildern von Monika Geisbüsch. Sie nennt ihre Arbeiten „Alltagswelten“ und in der Tat zeigt sie alltägliche Szenen, in die die Menschen eingebunden sind. Oft eine einzelne Person, seltener eine Gruppe von zwei oder mehren Personen. Auffällig ist dabei, dass die Bilder immer einen Ausschnitt aus einem größeren Zusammenhang zeigen, d.h. sie gehen über den Rand hinaus weiter, bilden keine in sich abgeschlossene Szene. Es gibt keine „Komposition“, die sich formal auf die eigentliche Bildfläche einstellt.
Die konkreten, alltäglichen Orte werden wie in einer Filmszene ausführlich mit allen Details dargestellt.
Alle Requisiten sind da, bis in jede Einzelheit wird die Gesamtszene aufgebaut, die jeweilige Person verliert sich geradezu darin, ist in ihrer Tätigkeit eingebunden in die Szene, erscheint keineswegs als beherrschender Mittelpunkt, sondern scheint schicksalshaft eine Rolle zu spielen, die ihr irgendwie zugewiesen worden ist.
Sie ist geradezu in der Szene gefangen, ohne die Möglichkeit, diese Situation verlassen zu können.
Dazu gibt Monika Geisbüsch den Personen einen eigenartigen Ausdruck, eine Passivität, als wenn sie sich in ihr Schicksal ergeben haben. Die Gesichter zeigen keine auffällige Regung, sie wirken erstarrt, wie eingefroren.
Eine gewisse Melancholie liegt über der Szenerie.
Dies wird noch verstärkt durch eine bildhaft-formale Einbindung der Personen in räumliche Gegebenheiten, einer Tür, ein Durchgang, ein Fenster, in das die Personen kompositorisch eingebaut werden, was sie wie verloren in dieser Situation festhält und keinen Ausweg offen lässt.
Eine senkrecht-waagerecht Komposition gliedert ein Bild in verschiedene Teilflächen, in die die Personen hineingesetzt werden, ohne dass sie selbst eine Aktivität übernehmen.
Eine Serie hochformatiger Bilder mit Einzelpersonen erhält einen ähnlichen Effekt. Das Format des Bildes scheint sich an die stehende oder sitzende Haltung möglichst eng anzupassen, was die Figur des Menschen jeder Veränderung der Situation beraubt und ihre sitzende oder stehende Position unabänderlich macht.
Wesentliches Mittel ihrer Darstellungen ist die Farbe. Nuancenreich abgestufte
Töne gleicher Farbart werden mit wenigen Gegenfarben zu einem überzeugenden Gesamt-Farbklang gesteigert. Eine gelbe Bluse bildet den Kontrast zu blauen Hintergrundaktivitäten, das ist gekonnt farbig gestaltet, ohne dass sich das gegenständlich aus dem Dargestellten von selbst ergeben hätte. Stets sind graue, nicht farbige Bildpartien da, die der Farbe ihre eigentliche Leuchtkraft und dem ganzen Bild eine geplante Farbwirkung geben, mit der sie dann ihre gegenständlichen Bezüge realisiert.
Der Betrachter des Bildes wird zudem in das Bild einbezogen, die ausschnitthaft vergrößerte Situation liegt für ihn sozusagen auf Augenhöhe, er befindet sich mit im Bild und kann sich nicht entziehen.
Er ist mit eingeschlossen, das Bild wird für ihn zu hautnah selbst erlebter Wirklichkeit.
Prof. Dieter Crumbiegel
Neu im BBK 2
Auszug der Einführungsrede von Dr. Gabriele Rasch, Ausstellung in der BBK-Galerie, Mainz 2008
Nach diesen beiden abstrakten Positionen nun zu den gegenständlichen, realistisch
anmutenden Bildern von Monika Geisbüsch. 1964 in Koblenz geboren, studierte sie an der
Mainzer Akademie für Bildende Künste bei Dieter Brems und Peter Lörincz mit dem
Schwerpunkt Zeichnung.
Monika Geisbüsch sucht und findet ihre Motive im Alltäglichen, an unspektakulären Orten
wie Bahnhöfen oder kitschig bunten, lauten Orten wie Rummelplätzen. Mit dem
Fotoapparat hält sie völlig unbekannte Menschen, wie Wartende, Imbissbuden- oder
Kartenverkäufer in scheinbar unbeobachteten Momenten fest, um sie im Atelier auf die
Leinwand zu bannen. Dabei geht es ihr nicht um die detailgetreue Schilderung eines
spezifischen Ortes oder Menschen, sondern viel mehr um eine typische Stimmung und
Haltung, die den Ort und den Menschen darin ausmacht. Die häufig fast schrillen, bunten
Farbkontraste und aufreizenden Schriftzüge wirken anziehend und abweisend zugleich.
Als Stimmungsträger kontrastieren sie mit den melancholisch in sich versunkenen
Protagonisten ihrer Bilder. Hinter der farbigen, fröhlichen Fassade des Kinderkarussells
hockt z.B. der zur Einsamkeit und Langeweile verdammte Kartenverkäufer isoliert in seiner
Bude.
Monika Geisbüsch ist eine hervorragende Beobachterin von scheinbar unbedeutenden
Details, die aber genau die Wesenhaftigkeit einer Geste, Haltung oder eines
Gegenstandes erfasst. In der rein malerischen Anlage ihrer Bildräume und Figuren spürt
man die zeichnerische Durchdringung und Beherrschung der Materie der ehemaligen
Zeichnerin. So hat die Farbe ein fundiertes Gerüst und kann sich ungehemmt in
komplizierten Spiegelungen und Lichteinfällen ergehen.
Monika Geisbüsch gelingt es, mit virtuosen malerischen Mitteln banale Alltagssituationen
zu atmosphärischen, aber auch kritischen Spiegelbildern unserer Lebensrealität zu
verdichten.